So oder so ähnlich könnte man die Reaktionen aus KjG und BDKJ in den Bistümern Freiburg und Rottenburg-Stuttgart (die das gesamte Bundesland Baden-Württemberg abdecken) zur aktuellen Bildungsplandebatte zusammenfassen. Wir haben hier der lieben Lesbarkeit halber leicht gekürzt, empfehlen aber Interessierten alle vier Stellungnahmen in den jeweiligen Langfassungen. Beginnen wir mit den KjG-Stellungnahmen, zunächst aus Freiburg:
Wir betrachten es als richtigen und notwendigen Schritt, sexuelle und geschlechtliche Vielfalt und deren Akzeptanz in den Bildungsplan gesellschaftswissenschaftlicher Fächer aufzunehmen und vor allem in Ethik und Religion zum Thema zu machen.
(…) Nur wo Aufklärung geleistet wird, kann Verständnis und Akzeptanz entstehen und Diskriminierung bekämpft werden.
Lesbische, schwule, bisexuelle, intersexuelle und Trans*-Schülerinnen und -Schüler erfahren häufig Diskriminierung, Mobbing und Belästigungen. Darunter leiden nicht nur sie persönlich, sondern auch ihre Leistungen. (…)
Hier sehen wir die Chancengleichheit für alle Schülerinnen und Schüler eingeschränkt. Bildung muss jedoch für alle in gleicher Weise ermöglicht werden. (…) Schulen müssen Orte sein, in denen sich Kinder und Jugendliche wohlfühlen und entfalten können, frei von Vorurteilen und Ausgrenzung. Nur so können Schulen den Start in ein eigenes, selbstbestimmtes Leben sicherstellen.
In unseren Grundlagen und Zielen verpflichten wir uns dazu, Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene „bei der Suche nach tragfähigen Lebensentwürfen und nach Orientierung“ zu begleiten. Dabei wenden wir uns „gegen jede Art der Ausgrenzung und Unterdrückung von Menschen“ und unterstützen junge Menschen dabei „auf vielfältige Weise soziale, pädagogische und politische Verantwortung zu übernehmen“. Stellungnahme des Diözesanausschuss der KjG Freiburg
Und hier die Highlights aus der Stellungnnahme der KjG Rottenburg-Stuttgart:
Mit ihrem Ziel im Bildungsplan will die Regierung vor allem bei jungen Menschen das Bewusstsein um den Wert der Pluralität auch in Hinblick auf Sexualität stärken. (…)
Die Auseinandersetzung mit ihrer eigenen sexuellen Orientierung/Sexualität stellt für Heranwachsende einen wesentlichen Bestandteil in ihrer Entwicklung dar. Deshalb ist es wichtig, dass sie hierbei unvoreingenommene Unterstützung und Begleitung erfahren. Als Verband für Kinder und Jugendliche haben wir, die KjG, es uns in unseren Grundlagen und Zielen zur Aufgabe gemacht, junge Menschen „bei der Suche nach tragfähigen Lebensentwürfen und nach Orientierung“ zu begleiten. Neben jugendpolitischen Themen machen daher auch Gender- und Sexualpädagogik das Profil unseres Verbandes mit aus. (…)
Schülerinnen und Schüler sollen lernen, dass in unserer Gesellschaft auch sich widersprechende Lebensentwürfe gleichwertig nebeneinanderstehen können. Ziel muss es sein, junge Menschen zu befähigen, sich eigenständig zu unterschiedlichen sexuellen Orientierungen eine Meinung bilden zu können. Dies kann nur auf Basis einer wertneutralen Vermittlung geschehen.
Stellungnahme des Diözesanausschuss der KjG Rottenburg-Stuttgart
Was (positiv) auffällt: Beide KjG -Diözesanverbände beziehen sich in ihren Stellungnahmen explizit auf die Grundlagen und Ziele der KjG als Fundament ihrer Zustimmung zum Bildungsplan. Es wird jedoch das Geheimnis der KjG RoStu bleiben, inwiefern sexuelle Orientierungen sich widersprechende Lebensentwürfe darstellen – unserer Erfahrung nach sind das in der Praxis eher fließende Übergänge zwischen vielfältigen Ausdrucksformen von Liebe und Partnerschaft.
Kommen wir zum BDKJ und beginnen diesmal mit dem Diözesanverband Rottenburg-Stuttgart:
Der BDKJ Rottenburg-Stuttgart wendet sich gegen jede Art der Ausgrenzung und Unterdrückung von Menschen. Für den Dachverband der katholischen Jugendverbände ist daher das Vorhaben der Landesregierung im Zusammenhang mit der Bildungsplanreform ein wichtiger Schritt hin zu mehr Respekt und Toleranz für vielfältige Lebensformen.
(…) „Wenn eine reaktionäre Minderheit glaubt, die SchülerInnen würden künftig im Unterricht mit einseitigen Theorien ideologisiert und indoktriniert, dann braucht es einen öffentlichen Diskurs zu den Begriffen Pluralität und Liberalität, die zur Grundlage eines Verfassungsstaats gehören“, erläutert [BDKJ-Diözesanleiterin Alexandra] Guserle weiter.
Kein Mensch „erlernt“ seine sexuelle Orientierung. Doch was Menschen lernen können, ist ein Verständnis für die Vielfalt möglicher Lebensentwürfe – ob nun hetero-, homo-, bi- oder transsexuell. Daher sei es wichtig, dass die heranwachsende Generation für dieses Thema sensibilisiert wird – für eine Gesellschaft, die Toleranz und gegenseitige Wertschätzung gegenüber jedem Menschen lebt, egal welcher Hautfarbe, Religionszugehörigkeit oder sexueller Identität.
(…) Mit seinem Positionspapier „Mit Leib und Seele – verrückt nach Dir“ von 1994 hat sich der BDKJ Rottenburg-Stuttgart eine Grundlage für ein tolerantes Miteinander in der katholischen Jugendarbeit gegeben, die bis heute gilt. „Erst eine offene und informative Aufklärung über unterschiedliche Formen von Liebe und Partnerschaft in unserer Gesellschaft sensibilisert junge Menschen für ihre eigene Sexualität und die anderer“, zitiert Alexandra Guserle aus dem Papier, zu dem zur Zeit Materialien erarbeitet werden. „Für uns ist klar, dass das christliche Menschenbild keine Diskriminierung zulässt.“
Stellungnahme des BDKJ Diözesanverbands Rottenburg-Stuttgart
Sehr schöne, sehr klare Stellungnahme. Falls jemand das Papier von 1994 rumliegen hat (der BDKJ RoStu hat es leider nicht verlinkt), würden wir uns über eine Mail an die.kjgay bei googlemail punkt com freuen. Und jetzt: Der BDKJ Freiburg.
Der BDKJ in der Erzdiözese Freiburg unterstützt die Initiative der Landesregierung, die Akzeptanz sexueller Vielfalt im Bildungsplan 2015 zu fördern. Für den Dachverband der katholischen Jugendverbände ist es höchste Zeit, dass Schulen auch in diesem Bereich offensiv für Respekt und Toleranz eintreten.
(…) In einer Lebensphase in der die eigene sexuelle Orientierung und Identität auch mit Unsicherheiten verbunden ist, müsse die Schule jungen Menschen Halt geben. Es sei wichtig, dass ein Raum geschaffen wird, in dem Schülerinnen und Schüler ohne Vorbehalte über die ganze Vielfalt der möglichen Lebensentwürfe informiert würden. So könnten sie lernen, ihren eigenen Weg zu finden und die Präferenzen anderer wertzuschätzen. „Die Reaktionen der letzten Tage haben gezeigt, dass die Akzeptanz unterschiedlicher Formen von Liebe und Partnerschaft in unserer Gesellschaft keineswegs selbstverständlich ist. Es gibt daher mit Sicherheit nicht nur im Bereich der Schule Handlungsbedarf“, erläutert [BDKJ-Diözesanleiter Manuel] Schätzle. Für den Dachverband der katholischen Jugendverbände in der Erzdiözese Freiburg ist es erschreckend mit welcher Wortwahl sich gerade christliche Gruppen und Einzelpersonen gegen die Initiative der Landesregierung gestellt haben. „Für uns ist klar, dass das christliche Menschenbild keinen Raum für Ausgrenzung und Diskriminierung lässt. Deshalb ist es ein Grundprinzip der Arbeit in unseren Jugendverbänden, dass jeder Mensch in seiner Unterschiedlichkeit angenommen und wertgeschätzt wird“, ergänzt Schätzle.
Stellungnahme des BDKJ Diözesanverbands Freiburg
Uns freut es sehr, dass mit KjG und BDKJ die für uns relevanten innerkirchlichen Jugendvertretungen sich einerseits klar zu den Zielen des Bildungsplans bekannt haben, andererseits aber auch anmerken, dass gesamtgesellschaftlich noch viel zu tun ist. Dem können wir uns nur anschließen! Die Tatsache, dass auch innerkirchlich gerade in Deutschland eine gewaltige Kluft zwischen Kirchenvolk und Lehrmeinung klafft, ist kein Geheimnis mehr und hat es diese Woche sogar auf die Titelseite des SPIEGEL geschafft. Der Bundesverband des BDKJ hat die Ergebnisse der eigenen Jugendumfrage auch nochmal in einem eigenen Bericht und mit ein paar Schaubildern illustriert. Wenig überraschend:
- BDKJ-Umfrage zu Akzeptanz homosexueller Beziehungen durch die Kirche
Die Zusammenfassung der Umfrage für den Bereich gleichgeschlechtlicher Paare findet sich hier. Immerhin: 3,1% bei fast 10.000 Rückmeldungen, das sind rund 300 Menschen, leben selbst in gleichgeschlechtlichen Beziehungen und haben an der Umfrage teilgenommen. So viele gleichgeschlechtlich lebende und liebende Menschen hat nicht mal die bis dato größte Umfrage zum Thema Homosexualität im katholischen Jugendverbandsmilieu (Landjugend und Homosexualität) erreicht – auch das ist schon mal als Erfolg festzuhalten. Der BDKJ-Bundesvorstand findet dann auch gleich die passenden Worte:
„Der BDKJ-Bundesvorstand schließt sich der Forderung nach Akzeptanz homosexueller Beziehungen an und sieht überdies die dringende Notwendigkeit, den Naturrechts-Begriff grundlegend zu überdenken. Fundament für naturrechtliche Argumentationen kann nicht sein, was sein soll – nämlich eine heteronormative Ordnung –, sondern kann nur sein, was ist, und zu den biologischen Grundlagen menschlichen Lebens gehört auch eine Diversität der Ausprägungen der sexuellen Orientierung“ (hier)
Und auch unser Schlusswort finden wir in dieser Zusammenfassung.
„(…) Es geht um Liebe und nicht um richtig oder falsch.“